Dienstag, 4. Juni 2013

Wir bauen ein Haus!

E2H - das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus
Ein konkreter Vorschlag

Wir dokumentieren an dieser Stelle den Aufsatz "Wir bauen ein Haus" unserer IQN-Mitglieder Benno Gammerl und Birgit Kiupel, welcher zuerst im CSD-Magazin 2013 erschienen ist. Den Artikel können Sie auch als pdf von unserer Homepage herunterladen.

WIR BAUEN EIN HAUS!

Von Dr. Benno Gammerl und Dr. Birgit Kiupel

Ein Haus benannt nach zwei SexualreformerInnen: der feministischen Schriftstellerin Johanna Elberskirchen (1864 – 1943) und dem Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld (1868 – 1935). Beide kämpften in der frühen homosexuellen Emanzipationsbewegung für die Rechte und das Wohlergehen gleichgeschlechtlich liebender und jenseits der zweigeschlechtlichen Ordnung lebender Menschen. Ihre Ziele sollen Grundriss und Auftrag zugleich sein für das Zukunftsprojekt Elberskirchen-Hirschfeld-Haus (EHH oder E2H); kein Traumhaus, sondern eine Experimentierfläche, die anknüpft an die Arbeit des 1919 im Berliner Tiergarten gegründeten und 1933 von den Nazis zerstörten Instituts für Sexualwissenschaft.
Zugleich soll das E2H dem Weltruf Berlins als Ort der sexuellen Vielfalt und der lesbischwulen Emanzipation zu neuer Geltung verhelfen, einem Ruf, der der Stadt insbesondere seit den 1920er und 1970er Jahren vorauseilt. Das E2H dient als offener Ort und als repräsentative Bühne – ähnlich dem Haus der Kulturen der Welt – einem dreifachen Zweck. Es will die Fragen und die Vorschläge von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-, Intersex- und Sternchenpersonen für eine breite Öffentlichkeit sichtbar machen. Es will ForscherInnen, TouristInnen sowie Neuankömmlingen Orientierung bieten und auf die zahlreichen Berliner Orte verweisen, wo Geschichte, Gegenwart und Zukunft der sexuellen Vielfalt diskutiert und erfahrbar werden. Und es will Menschen ein gemeinsames Dach zur Verfügung stellen, unter dem sie miteinander debattieren und sich austauschen können. Das Elberskirchen-Hirschfeld-Haus soll Raum bieten für Ausstellungen, Tagungen, Filmvorführungen und Informationsangebote aller Art. Auch kulinarische Erkundungen müssten in diesem Haus nicht zu kurz kommen. Zusammen mit einer Vielzahl von Berliner Archiven, Gedenkorten, Forschungsinstitutionen, Museen und Bildungseinrichtungen möchte das E2H das Interesse an LGBTI* Themen bündeln und deren gesamtgesellschaftliche Diskussion voran bringen. 

Es geht darum, gemeinsam mit allen die Möglichkeiten eines Lebens jenseits der heteronormativen Ordnung zu erkunden. Ein Haus der Wissenschaften, des Erinnernden und Archivalischen, der Begegnungen, des Repräsentativen wie Performativen – also ein Haus für Lebens- und Liebeskulturen! Für die gegenwärtigen, wie auch für die vergangenen, die wir bewahren und aufheben wollen, und erst recht für die zukünftigen. Doch noch existiert diese kreative Baustelle nur in unseren Köpfen. Um so ein Haus möglichst bald bauen zu können, um Berliner LandespolitikerInnen und andere AkteurInnen von der Notwendigkeit und den Chancen eines solchen Hauses zu überzeugen, bedarf es vieler HelferInnen und UnterstützerInnen. Mit Elan, Hoffnung und Herzklopfen (E2H) stehen wir heute am Anfang eines Weges, von dem wir noch nicht wissen, wie lang er sein wird. Wir sind jedoch überzeugt, dass es der Mühe wert sein wird, uns mit Vorfreude und Fantasie auf diesen Weg zu machen. Auf zum Elberskirchen-Hirschfeld-Haus! 

Aufsatz zuerst erschienen im CSD MAGAZIN 2013.


Dr. Birgit Kiupel vertritt die Initiative Queer Nations IQN im Kuratorium der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Sie arbeitet als Kulturwissenschaftlerin und Historikerin in Hamburg. 

Dr. Benno Gammerl ist Vorstand der Initiative Queer Nations IQN. Er arbeitet am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.